Im Praxisalltag des Kinderorthopäden nimmt die Frage nach kindlichen Fußfehlstellungen hinsichtlich ihrer Häufigkeit einen der vordersten Plätze ein. Dabei werden in der Beurteilung angeborene von erworbenen Fußdeformitäten unterschieden. Die Variationsbreite ist enorm und erfordert ein profundes Maß an Erfahrung, um krankhafte Befunde von ungefährlichen Spielarten der Natur unterscheiden zu können. Dabei handelt es sich bei Fehlstellungen des Fußes grundsätzlich um eine häufige Erscheinung: Nach einer Studie von Jerosch & Mamsch aus dem Jahre 1998 wird das Auftreten des kindlichen Knickfußes bei 10- bis 13-Jährigen in Deutschland auf 39,4 Prozent beziffert, gefolgt vom Plattfuss mit 19,1 Prozent und dem Hallux valgus juvenilis mit 17,1 Prozent.
Grundsätzlich wird die Häufigkeit des Auftretens von Fußdeformitäten wie vieles anderes auch als Folge der mangelnden körperlichen Aktivität im Rahmen des allgemeinen gesellschaftlichen Wandels verstanden. Demnach richten sich die Ziele der Therapie heute vorrangig auf eine gezielte Aktivierung der sog. Fußbinnenmuskulatur. Dies kann z.B. durch spielerische Aktivitäten wie das Zerreissen einer Zeitung mit den Füßen oder dem Aufheben mehrerer Bleistifte mit den Zehen erreicht werden. Auch das mehrminütige Gehen auf Zehenspitzen oder der Fersengang fördern die Aktivierung der fußnahen Muskulatur.
Im Übrigen findet sich für den Orthopädietechniker ein weites Betätigungsfeld im Bereich der Füße. Einlagen sind jedermann ein Begriff, wenngleich aus medizinischer Sicht heute mehr oder weniger Einigkeit besteht, dass die Wirksamkeit von stützenden oder bettenden Einlagen – insbesondere hinsichtlich der nachhaltigen positiven Beeinflussung der Fußform – über Jahrzehnte hinweg überschätzt wurde. So konnte bisher in keiner Studie durch eine Einlagenversorgung eine signifikante Verbesserung der Fußform beim Knick- Senk- Fuß nachgewiesen werden.
Eine moderne Entwicklung der letzten Jahre stellen propriozeptive Einlagen dar, die auch als aktiv korrigierende Einlagen bezeichnet werden. Hierbei wird versucht, über Elemente, die in der Sohle der Einlagen eingearbeitet sind, Druck auf die Sensoren der Fußsohle auszuüben, so dass reflektorische Effekte erzielt werden, die therapeutisch erwünscht sind. Die Wirkung ist im klinischen Alltag teilweise verblüffend, wenngleich die Studienlage teils widersprüchlich ist und daher von den Krankenkassen nicht regelhaft Kostenübernahmen erwirkt werden können.
Der Fuß ist zum Zeitpunkt der Geburt für seine Aufgabe noch nicht entwickelt. Dies findet erst nach dem Laufbeginn statt, hier stellt das richtige Schuhwerk einen entscheidenden Einfluss dar. Vorweg eine Bemerkung zur Notwendigkeit von Schuhen; grundsätzlich benötigt der Fuß keinen Schuh! Wäre das anders, wären wir wie z.B. wie die Pferde mit Hufen auf die Welt gekommen. Aber unser Fuß kann mehr und sollte sich deshalb nicht in unpassenden Schuhen fehlentwickeln. Der Schuh hat nur den Sinn, den Fuß vor Verletzungen bzw. negativen äußeren Einflüssen zu schützen. Oder mit den Worten von Dr. med. Holger Mellerowicz, einem Kinderorthopäden aus Berlin: „Die einzigen Gründe gegen Barfußlaufen sind Kälte, Scherben und Hundekacke!“ (Medical Tribune 09/09)
Untersuchungen der Uniklinik Münster und des Schuhinstitutes Offenbach zeigten, das über 40% ! aller Kinder in zu kleinen Schuhen liefen. Dabei sind insbesonders zu schmale Schuhe gemeint, aber auch zu kurze. Wenn also ein Schuh nicht notwendig ist für die kindliche Entwicklung, dann sollte er zumindest nicht die Ausbildung eines gesunden Fußes behindern.
Beim Kauf von Schuhen geben die meisten Kinder an, wenn der Schuh zu kurz ist, aber das im Laufe der Zeit durch das Längenwachstum „Zukurzwerden“ wird nicht bemerkt. Ein sich sehr bewährter Tipp zur Feststellung der Passgenauigkeit des Schuhes: Stellen Sie ihr Kind auf einen Karton, zeichnen Sie die Umrisse des Fußes auf den Karton, lassen sie vor den Zehen bitte einen Querfinger Platz und schneiden Sie dann diese Schablone aus und legen Sie diese in den vorhandenen oder zu erwerbenden Schuh. Sollte die Schablone nicht passen, ist der Schuh zu klein.
Der erste Schuh sollte möglichst spät gekauft werden, da ja, wie schon ausgeführt der kindliche Fuß keinen Schuh benötigt, eventuell erst dann, wenn Sie ihre Kind außerhalb des Hauses freilaufen lassen. Das bedeutet, ein Schuh ist keinesfalls notwendig, bevor Ihr Kind ganz ohne Ihre Hilfe laufen kann.
Der kindliche Fuß stellt ein komplexes Wunderwerk dar, dem entscheidend geholfen, aber auch vieles angetan werden kann. Bei Zweifeln oder Auffälligkeiten kann eine frühzeitige Beurteilung durch einen erfahrenen Orthopäden Schlimmeres verhindern oder auch Entwarnung geben.